Neugikeiten & wie es in der Zukunft weitergeht
„Nein, lass sie zu,“ rief mir mein Mitfahrer Mponzi zu, „das Wasser kocht!“ „Nein, das ist kein Wasser!“ Beherzt öffne ich die Motorhaube und sehe, wie ein Kabel neben dem Motor brennt. Der geliehene Landrover, oh nein! Direkt vor einer kleinen Brücke hatte ich das Bremspedal plötzlich ins Leere gedrückt. „Seilzug gerissen,“ dachte ich und schaute erstaunt von der Brücke runter, „Oh, da ist eine kleine Wasserstelle!“ Hier? Wo es kilometerweit kein Wasser gibt? Nach der Brücke rollte der schwere lilafarbene Landrover noch aus. Und beim Aussteigen sahen wir den Rauch. Seilzug gerissen und gleichzeitig ein Feuer im Motorraum, der Wagen vollgepackt mit hölzernen Kulissenteilen für die Josef-Theateraufführung im Dorf Lualaje, dem letzten sehr entfernten Dorf auf unserer 12-Dörfer Tour durch das Gebiet der Sangu. Es wären nur noch 20km gewesen bis zum Ziel. Erst schütten wir all unser Trinkwasser auf das Feuer, ein Motorradfahrer und sein Mitfahrer kommen vorbei, rennen mit uns zu dieser einzigen Wasserstelle in dieser dürren Gegend. Das Feuer springt auf einen anderen Schlauch weiter unten im Motorraum über, der nun von innen weiter schwelt und den wir erst nach einer gefühlten halben Stunde löschen können. Wäre der Seilzug 500m vor oder nach der Brücke gerissen und hätten wir so weit rennen müssen, um Wasser zu holen, dann hätten wir das Feuer vielleicht nicht löschen können…
Dann kamen der zweite Geländewagen und die zwei Busse mit 25 Schauspielern und 24 Musikern an die Unglücksstelle. Nach kurzem Aufenthalt schickte ich die ganze Gruppe weiter, um das andere Transportauto auszuladen, mit dem Aufbau der Soundtechnik zu beginnen, und schnellst möglich wieder zurückzukommen, um die Kulissenteile aus dem Landrover abzuholen. Zurück blieben einer der Busfahrer, der auch Automechaniker ist, Mponzi und ich. Der Automechaniker fuhr in das nächstgelegene grössere Dorf um Ersatzteile zu besorgen, Mponzi und ich falteten die Hände, um Gott zu danken, dass er uns so wunderbar bewahrt hat. Wir kamen noch rechtzeitig in Lualaje an. Die Aufführung an diesem Tag war letztlich die einzige, die wir wirklich pünktlich beginnen konn ten und es war die beste! Irgend wann gegen Ende der Aufführung sah ich den provisorisch zusammengeflickten Landrover anrollen, wir konnten alles wie gewohnt in die Autos verladen und traten an dem Abend, dem 1. November, nach insgesamt 25 Tagen gemeinsamer Proben und Aufführungen in 12 Dörfern die Heimreise an. Knapp 5000 Menschen hatten das Joseph-Theaterstück gesehen, weit über 2000 km lagen hinter uns, davon ca. die Hälfte unbefestigte Strassen, teilweise nur im Schritttempo befahrbar. Wir haben Bibeln und die neu erstellten Familienkalender vergünstigt verkaufen können, hier und da auch verschenkt.
Die Rückmeldungen waren sehr positiv. Die Zuschauer haben engagiert die Geschichte verfolgt. Lautes Lachen über Potifars Reaktion, als ihm die seltsamsten Sklaven vorgeführt werden, tie fe Betroffenheit über die Ungerechtigkeit, die Josef widerfährt, überschwänglicher Jubel über die traditionellen Tänze und Lieder, die tiefgehende Wahrheiten aus der Josefsgeschichte vermittelten und aktuelle Themen der Menschen berühren, Verwunderung über die Tränen, die über das Ge sicht des Josef-Schauspielers fliessen, als er im Gefängnis ein Lied darüber singt, wie er in seinem Leben mehrfach verraten und vergessen wurde, letztlich auch vom Mundschenk des Pharao, aber dennoch am Gott seiner Vorfahren, dem Gott Abrahams, Isaaks und seines Vaters Jakob festhält.
Die Geschichtenerzählerin Prisca Malewa liest aus der Bibel den Beginn der Josefgeschichte.
Die Kerntruppe der Kunstform Ndonga. Ndonga heißt das einsaitige Instrument mit Hartschalenkürbis, dessen Ton durch Anschlagen mit einem Stöckchen erzeugt und die Tonhöhe mit einem metallenen Fingerhut verändert wird.
Kinder aus Ifushilo haben für die Aufführung im Nachbardorf Ukwavila ihre Sprechrollen geübt und stellen dem zweiten Geschichtenerzähler, Yoram Chapaulinge (einer der Sangu Bibelübersetzer, hier auf dem Stuhl sitzend) ihre Fragen zur Geschichte des Josef.
Es lief durchaus nicht alles glatt
...bei der Tour: Außer dem Feuer beim Landrover gab es fast jeden Tag Konflikte zu klären oder andere Probleme zu lösen. Einmal waren wir in einem Dorf ca. vier Stunden Fahrtweg von unserem Übernachtungsort entfernt. Eine kleine Pappkiste mit den Bühnenmikrofonen war zurückgeblieben. Ein Motorradfahrer musste im Übernachtungsort gefunden werden, der bereit war, uns noch „schnell“ die Mikrofone zu bringen. -- Die Busfahrer des Busunternehmens hatten angeblich kein Geld für Benzin mehr und so streikten sie mitten auf der Tour. Nur ein Treffen mit dem Busunternehmer, den Fahrern und uns führte zu einer Lösung. -- Die Anstrengungen dieser Tournee offenbarten auch, was so im Herzen der einzelnen verborgen ist. Ich selbst habe von den Konflikten in den Bussen nur teilweise Wind bekommen. Eine wichtige Künstlerin war wegen eines solchen Konfliktes bei der Abfahrt zu einem Aufführungsort gekränkt aus dem Bus ausgestiegen und kam einfach nicht mit. Vor der Aufführung war sie dann doch plötzlich da. -- Ich fragte einen Künstler am Ende der Tour in einer ruhigen Minute, wie es ihm geht. Er war aufgefallen durch Alkoholkonsum und immer wieder verspätete Einsätze bei den Aufführungen. Ich hörte von ihm, wie sehr ihn diese Tour herausgefordert hat gerade wegen der unterschiedlichen Ansichten der Tourneeteilnehmer. -- Krankheit hat einige Teilnehmer lahmgelegt. -- Auch die Zusammenarbeit mit den Kirchen vor Ort lief trotz langjähriger Vorbereitungen nicht so, wie wir es uns gewünscht hatten.
Wir hatten echte Herausforderungen gehabt, aber durch alles hat uns der Herr durchgeholfen und in allen 12 Dörfern haben alle Künstler geschauspielert, gesungen und getanzt. Für mich ein pures Wunder Gottes! Manche Pastoren meldeten nach den Aufführungen zurück, dass sie noch viel mehr Werbung gemacht hätten, wenn sie nur gewusst hätten…. Aus mehreren anderen Dörfern bekamen wir die Anfrage, ob wir auch zu ihnen kommen könnten. Nein, wir werden nicht mehr auf Tour gehen. Wir beobachten jetzt aber, dass die Nachfrage nach Bibeln stark gestiegen ist. Viel mehr Menschen wissen nun, dass es das Neue Testament und das 1. Buch Mose in ihrer Sprache gibt.
„Seit ich an den verschiedenen Workshops teilnehme, die wir seit Beginn des Josef Projektes gemacht haben, habe ich eine Veränderung festgestellt: als wir anfingen, war ich kein grosser Bibelleser; aber in den Workshops hat Daniel nie angefangen, ohne mit dem Wort (Gottes) zu beginnen. Das hat mich zu einem großen Leser des Wortes gemacht und ich habe mich verschiedenen Gruppen angeschlossen, um die Bibel zu lesen. Ich habe den Gewinn gesehen und auch gemerkt, dass ich vieles nicht wusste, aber jetzt verstehe ich vieles besser.
Durch die Aufführung von Joseph haben die Leute, als sie sahen, was wir gemacht haben, die Lehre verstanden, und sie haben sich interessiert und wollen sich (das Drama) noch einmal genau ansehen, um mehr zu lernen. Es hat vielen geholfen, besonders den Müttern, und sie haben es nicht vergessen. Sie fragen immer, wann das Stück (als Video) herauskommt. Und ich habe diese Methode (des Dramas) entdeckt, sie ist gut, um Menschen zu unterrichten und sie können es anders verstehen als durch Lesen oder Zuhören.
Da war eine junge Frau… wie ich schon sagte, als wir anfingen, das Wort Gottes zu lesen, wann immer wir damit anfingen, berührte es mich sehr und ich begann, mich für das Lernen zu interessieren. Als ich anfing zu lesen, brachte Gott diese Wissbegierige zu mir, sie stellte mir Fragen über die Bibel, ich sollte auch in der Schrift lesen, wenn sie nicht lesen konnte. Und sie bat mich regelmäßig, ihr zu helfen. Als sie die Heilige Schrift las, verstand sie sie nicht. Jetzt liest und versteht sie, obwohl sie nur einige der Bücher studiert hat, aber ich glaube, sie wird noch mehr lernen.
Über die Leute außerhalb (der Kirche): sie haben nicht bis zu Ende zugeschaut, wodurch sie mehr hätten lernen können, aber in den Teilen, die sie gesehen haben, haben sie etwas gelernt. Und im Moment haben sie mir den Spitznamen ‚Msulukhali‘ (= Soldat) gegeben. Ich glaube, wenn sie das Stück noch einmal sehen, werden sie nicht so bleiben, wie sie sind, und wir werden weitere Veränderungen sehen.“
Wir sind sehr berührt von Meshaks Zeugnis. Er war einer, der mir bei den Lehreinheiten bei unseren Theaterworkshops als aufmerksamer Hörer aufgefallen war. Gott hat ein Feuer in ihm angezündet, das auch 4 Monate nach Beendigung der Tour noch brennt und es steckt andere an. Wie wunderbar!
Schaut euch auch diese weiteren Rückmeldungen hier in Form zweier Videos an. Ein Künstler von denen, die hier etwas beitragen, wollte erst gar nicht mit auf die Theater-Tour, weil er davon überzeugt war, dass traditionelle Künste und christlicher Glaube nicht miteinander vereinbar wären. Er kam mit und sowohl er wie auch andere geben Zeugnis von dem, was passiert ist.
Der Josef-Darsteller Kitambi hat ebenfalls über die Erfahrung mit dem Josef-Projekt nachgedacht. Sein Zeugnis ist sehr ermutigend. Wir können an seinem Bericht auch sehen, wie wichtig Beziehung zu den Menschen über einen längeren Zeitraum ist, damit sie Jesus näher kommen:
Diese Videos sollen ein Dank an Gott und an euch sein für alle eure Gebete und finanzielle Unterstützung.
Das nun über einige Jahre entwickelte Stück geht mit der Tour nicht zu Ende. Wir haben ungefähr sechs Terrabyte Ton- und Videomaterial von den Aufführungen archiviert und schneiden gerade einen dreistündigen Joseftheater-Film. Dieser wird auch Szenen enthalten, die wir bei den Aufführungen nicht gezeigt, die wir aber an einem extra Aufnahmetag gedreht haben. Aus all diesem Material produzieren wir neben dem großen Josef-Film auch mehr als dreißig kürzere Videos. Diese werden angereichert mit dem original Sangu-Bibeltext zum Hören und Lesen, und das Wichtigste sind die Anwendungsfragen, durch die die Zuschauer herausgefordert werden, die Geschichte von Josef mit ihrem eigenen Leben in Verbindung zu bringen. Diese Anwendungsfragen entwickeln wir seit Januar bis Ende April mit den beiden Bibelübersetzern Mponzi und Chapaulinge und weiteren sehr engagierten Bibel-Hörgruppen-Leitern.
Dieses Kurzfilm-Videomaterial mit Anwendungsfragen wird zum einen online gestellt und den Bibel-Hör-und-Lesegruppen zur Verfügung gestellt. So glauben wir, wird das Theaterstück noch viele Jahre seine Wirkung entfalten und Menschen berühren. Die Geschichten und Lieder werden so Verbreitung finden und sich in den Herzen der Menschen verankern. Und wenn diese Arbeit geschafft ist, dann planen wir eine Abschlussparty für alle Schauspieler und Künstler. Bei dieser Party schauen wir uns den Theaterfilm gemeinsam an. Und wir geben für jedes Dorf mindestens zwei USB-Sticks mit dem Joseffilm mit, damit dieser an die örtlichen Videotheken verteilt wird. Dort kaufen sich Menschen Bollywood-, Action- und Horrorfilme. Wie gut, dass es ab 2024 dort dann auch die ersten zwei Filme in der Sprache der Menschen geben wird: den Jesus-Film und die Joseftheaterverfilmung. Im September 2023 hatten wir euch um finanzielle Mithilfe gebeten und wir wussten nicht, ob das Geld für die Theatertour zusammenkommen würde. Ich musste aber eine Entscheidung treffen, wieviele Ortschaften wir auf die Plakate drucken würden. Die Anspannung war groß. Ich habe einfach entschieden, alle 12 Dörfer auf allen Werbeträgern drucken und auch im Radio bekannt geben zu lassen. Und am Tag danach kam eine Email, dass Wycliffe Niederlande Interesse daran hat, das Sangu-Projekt mit zu unterstützen. Auch Wycliff Deutschland hat uns die Spende vom Wylifftag in Holzhausen zugesagt. Wenige Tage danach sahen wir, was ihr alles gespendet habt, jeden Namen, jeden Betrag und wir konnten vor Gott nur jubeln und weinen. Alles Geld war da oder zugesagt, was wir für die gesamte Tour brauchten. Zwischen den beiden Touren, Mitte Oktober, war der für Projektfinanzierung zuständige Mitabeiter von Wycliffe Niederlande bei uns in Mbeya. Wir sprachen miteinander über die Weiterführung des Sangu-Projekts und wir bekamen die Zusage, dass wir ein weiteres Jahr auch mit Spendengeldern aus den Niederlanden rechnen dürfen. Genutzt wird es für weitere Schulungen für die Kleingruppenmitarbeiter im Gebiet der Sangu, für einen weiteren Liederkompositionsworkshop und für weitere Dorfbesuche. Aufgrund dieser Zusage kann auch mein engster Mitarbeiter Mwasandube bis Ende September 2024 weiter im Ethnoarts-Büro angestellt bleiben. Ohne ihn wäre ich nur halb so schnell und die Arbeit faktisch viel teurer, und es wäre viel weniger lustig, denn Mwasandube bringt immer wieder ein Lachen, gute Ideen und ein großes Herz für die Arbeit mit ins Büro.